Tuesday, August 15, 2006

Stichwort „Freizeit“ oder: Gibt es ein Leben nach dem Sägen?

Um es vorweg zu nehmen: Inzwischen ist mir klar geworden, dass ich hier draussen Wörter wie Ferien, Freizeit und Ausschlafen aus meinem Repertoire streichen kann. Das heisst konkret, wenn ich aus diesem Urlaub nach Hause komme, habe ich wahrscheinlich erst mal Ferien nötig ;-).
Unsere Bauarbeiten und damit unser Tagesablauf sind stark von Petrus abhängig. Einerseits lässt es sich auf nassem Holz schlecht einzeichnen und andererseits wird die Arbeit auf feuchten Stämmen mit zunehmender Höhe immer gefährlicher. Zudem haben wir kein Gerüst sondern nur zwei, drei verschieden hohe Leitern (gewisse Aktionen sind daher nicht immer ganz SUVA-konform). Dafür mausert sich Adi langsam aber sicher zum Artisten. Mit unglaublichem Selbstvertrauen balanciert er in rund drei Metern Höhe über die schmalen Stämme und hat sich schon aus der einen oder anderen heiklen Situation bravourös gerettet. Ich werde den Verdacht nicht los, dass er bei mir Eindruck schinden will, nimmt er doch manchmal sogar Umwege in Kauf, nur um oben „rumturnen“ zu können (gut, vielleicht sind es auch die Gene, was auch Adis Vorliebe für Bananen erklären würde….?!).
Seit rund zwei Monaten ist das Wetter mehrheitlich trocken. Zudem hat es keine Mücken und Blackflies mehr und im Moment bewegen sich auch die Temperaturen wieder in angenehmeren Bereichen. Diese optimalen Bedingungen nützen wir so gut wie möglich aus, was teilweise halt zu Zwölfstunden-Arbeitstagen führt. An solchen Tagen sind wir manchmal sogar fast zu müde, um vor dem Schlafen gehen noch etwas zu essen (Gott sei dank nur „fast“!). Ich glaube, es ist verständlich, dass ich mich manchmal richtig nach Regen sehne und hoffnungsvoll den Himmel nach dunklen Wolken absuche. Wie schön wäre es doch, sich wieder einmal einen ganzen Tag mit einem spannenden Krimi irgendwo zu verkriechen und nicht eher aufzuhören, als bis das letzte Wort gelesen ist. Inzwischen haben nämlich auch die fünf Bücher meiner Mutter den Weg hierhin gefunden (Danke!) und schreien förmlich danach, verschlungen zu werden. (Meine Ansprüche sind sogar schon so weit gesunken, dass ich nicht einmal verlange, das an einem schönen, warmen Tag im Liegestuhl zu tun.)
Doch wenn es dann tatsächlich einmal regnet, gibt es meistens noch so Vieles zu erledigen: Aufräumen, einen Besen in die Hand nehmen, Haare und Kleider waschen, Blog schreiben, den Bart stutzen, … . Apropos Bart: Mit Adis Frisur ist das so eine Sache; eigentlich sind ja die langhaarigen Rocker sein grosses Vorbild, aber da das mit der Haarmenge irgendwie nicht so ganz klappt, gilt das Motto „je kürzer umso besser“. Deswegen hat er aus der Schweiz seinen elektrischen Akku-Haarschneider mitgenommen. Zu seinem Leidwesen kann man den hier aber nicht aufladen, da die Netzspannung zu gering ist. Weil Adi aber seine Haarpracht definitiv nicht – wie er sagt - „offen“ tragen will, hat er sich für sage und schreibe läppische 2 Dollar ein batteriebetriebenes Haarschneideset ergattert. Ich weiss nicht, ob er wirklich damit gerechnet hat, dass dieses Ding funktioniert. Auf jeden Fall hat das vermeintliche Schnäppchen mehr gerupft als geschnitten und wurde umgehend und mit einem Ausruf, den ich hier nicht wiedergeben möchte, entsorgt. Gott sei Dank haben sich Nico und Denise seiner erbarmt und ihm einen nigelnagelneuen Langhaarschneider ;-) mitgebracht.
Was hier in Kanada auch fehlt, ist Perwoll oder sonst irgendein Wundermittel, mit dem die Wäsche wieder blendend weiss beziehungsweise bakterienfrei sauber wird. Zwar riechen die Kleider nach der Handwäsche wieder besser, doch von fleckenfreier Sauberkeit und kuscheliger Weichheit kann keine Rede sein. Liebend gern packten wir deshalb die Gelegenheit beim Schopf, als wir vor fast einem Monat mit Nico und Denise auf einem Zeltplatz Waschmaschine und Tumbler vorfanden. Gewaschen ist schnell, doch zum Aufhängen haben wir erstens kaum Platz und zweitens ist die Sonne bereits untergegangen, so dass wir uns für den Tumbler entscheiden. Nach einem Durchgang ist die Wäsche noch immer so feucht, dass ich einen weiteren Dollar einwerfe, das Programm eine Stufe wärmer einstelle und hoffe, dass nach Runde zwei wenigstens Level „schranktrocken“ erreicht ist. Eine Stunde später steuern Adi und ich erneut die Waschküche an. Doch welch eine Enttäuschung! Noch immer sind die Kleider so feucht, dass es keinen Sinn machen würde, sie so mitzunehmen. Offenbar ist der Tumbler kaputt und ich erwäge kurz, den Campingverantwortlichen Meldung zu erstatten. Doch da es nebenan eine zweite freie Maschine hat, überwiegt die Bequemlichkeit und wir versuchen es damit. Wäsche umbeigen, Dollar einwerfen, Programm wählen. Ich bin schon halb zur Waschküche raus, als Adi mich fragt: „Hast du den Startknopf gedrückt?“. Startknopf??? Tja, wie so oft war auch das eine Maschine, die nicht funktioniert, wenn man nicht auf Start drückt. Adi kann sich kaum erholen, wird sich das mit der Heirat wohl nochmals gut überlegen und hat für meine Erklärung, dass ich zu Hause meine Wäsche immer aufhänge und nie tumblere, nur ein mitleidiges Lächeln übrig. (Wenigstens ersparte ich mir die Peinlichkeit einer Defektmeldung!) Nach dem ersten Lachanfall versichert mir Adi zwar, dass ihm wichtiger ist, dass eine Frau mit einer Motorsäge als mit einem Tumbler umgehen kann, trotzdem weiss ich, dass ich diese Geschichte noch einige Male zu hören bekomme.
Wie übrigens auch die Tankstory, die sich ganz zu Beginn unseres Kanadaaufenthalts abspielte: Ich fahre, Tank fast leer, Tankstelle ansteuern. Dort hat es wie üblich freistehende Säulen. Ich vermute, dass der Tank beim Jeep rechts ist, fahre somit links ran und lasse Adi aussteigen. Doch Pech gehabt; durch Zeichen gibt mir der Tankwart zu verstehen, dass dem nicht so ist. Blitzschnell analysiere ich die Situation und suche nach einer eleganten Lösung, das Auto möglichst unkompliziert in die richtige Position zu bringen. Da es genügend freien Platz vor mir hat, vollführe ich schnell und gekonnt einen Halbkreis und fahre kurz darauf in Gegenrichtung auf der anderen Seite der Tanksäule vor. Lächelnd über das gelungene Manöver will ich aussteigen, als ich das ungläubige Kopfschütteln des Tankwarts registriere. Leicht verunsichert frage ich mich, ob es auf dieser Seite wohl kein Bleifrei gibt. In dem Moment fällt der Groschen und ich lese auf den Gesichtern der beiden Männer, was sie über Frauen am Steuer denken … .
Und zum Schluss noch etwas über den aktuellen Baustand: Das Ausarbeiten der Massivholzgiebel ging erstaunlich schnell und schmerzlos über die Bühne. Einfachheitshalber arbeiteten wir den Giebel am Boden aus und mussten die ausgearbeiteten Stämme nachher nur noch wie Legosteine aufeinander legen. Um das Ganze zu stabilisieren, bohrten wir jeweils mit einem 2,5 cm breiten Bohrer zwei bis drei 30 cm tiefe Löcher in jeden Stamm. So konnten wir anschliessend immer zwei aufeinander liegende Stämme mit knapp 30 cm langen Rundholzstäben verbinden. Das gibt dem Giebelaufbau etwas Stabilität und sorgt mit den zusätzlich verschraubten Latten dafür, dass die ganze Herrlichkeit nicht schon beim ersten Windstoss zusammenbricht. Gestern ist der zweite Giebel fertig geworden, wobei man deutlich sieht, dass er noch nicht gestrichen ist. Heute kurz vor Mittag war es dann so weit: Mit Hilfe der Maschine platzierten wir die Firstpfette. Adi und ich haben Giebel und Pfette soweit vorbereitet, dass der ganze Spuk (anhängen, hochheben, platzieren, einzeichnen und runter nehmen) kaum 10 Minuten gedauert hat. Bis hierhin lief tatsächlich alles wie am Schnürchen, doch die Stunde der Wahrheit kommt heute Abend oder morgen, wenn wir die Pfette definitiv an Ort und Stelle bringen werden.

Tuesday, August 01, 2006

Von der Blockhütte zum Blockhaus

Nein, dies ist kein Gefängnis und ja, wir wissen, dass zu einem Haus auch Fenster gehören! Aber irgendwie beeindrucken uns diese massiven Holzwände auch ohne Fenster (oder vielleicht gerade deswegen) jeden Morgen wieder von neuem. Langsam aber sicher nimmt unser Projekt Formen an; was auch gut ist, wenn man bedenkt, dass wir in zwei Monaten schon wieder in der Schweiz sein werden. Ohne die Hilfe von Nico und Denise wären wir allerdings noch nicht so weit. Nach unseren gemeinsamen Ferien haben wir vier Tage lang Vollgas gegeben und sind tatsächlich mit den Wänden fertig geworden. Denise zeigte unermüdlichen Einsatz im Waschen der Stämme (mit Javelwasser), einer sehr eintönigen und strengen Arbeit, vor der sich Adi übrigens immer wieder erfolgreich drückt, mit dem Hinweis, das sei Frauenarbeit … (nur gut, haben wir vor der Kirche erst geübt!) Und Nico bekam gar nicht genug von der Arbeit mit der Motorsäge. Er war jeweils der Erste, der morgens zum Aufbruch drängte und der Letzte, der Abends zum Feierabendbier übergehen wollte. Kurz und gut, es waren zwei tolle und erlebnisreiche Wochen, die wir mit unseren Freunden erleben durften. Ganz herzlichen Dank nochmals für euren Besuch und die Mithilfe auf dem Bauplatz!

Heute sind Sylvain und Johanne mit den beiden Kids nach Südfrankreich abgeflogen, wo sie drei Wochen Ferien machen werden. Das hat uns die Ehre verschafft, einen Monat lang die Gesellschaft von Dalì geniessen zu dürfen. Dalì ist der bald achtjährige Hund unserer kanadischen Freunde. Er ist unendlich gutmütig und anhänglich, jedoch auch sehr faul. Seine Lieblingsbeschäftigungen sind herumliegen und Auto fahren. Diese Woche haben wir ihn deshalb einmal mit nach Baie-Saint-Paul genommen. Auf dem Rückweg bin ich dann etwa 2 km vor dem Chalet ausgestiegen, um mit Dalì zurück zu laufen. So sollte er zumindest noch ein bisschen Bewegung bekommen und die Gelegenheit erhalten, unterwegs sein Geschäft zu erledigen. Am ersten Hütetag haben wir das nämlich verpasst und unsere Nachlässigkeit am nächsten Morgen prompt gebüsst. Hundesch… aufputzen ist nicht gerade das, was wir uns unter sanfter Einstimmung in den neuen Tag vorstellen. Adi hat sich dann gütigerweise der Sache angenommen (dafür muss er schliesslich keine Stämme waschen ;-)). Langer Rede kurzer Sinn, der Hund dachte nicht im Traum daran, mit mir gemütlich heim zu laufen, sondern rannte wie eine Furie hinter seinem geliebten Auto her, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass er irgendwo aufspringen kann. Daraus wurde zwar nichts, doch Dalì erwies sich als harter Hund im wörtlichen Sinn, denn er kam nur gerade zwei Minuten nach Adi beim Chalet an. Wir staunten wirklich nicht schlecht über diese grandiose Leistung, die wir ihm ehrlich gesagt nie und nimmer zugetraut hätten. Doch das arme Tier hatte sich offensichtlich bös übernommen. Er hechelte sich fast die Lunge aus dem Leib und konnte sich kaum mehr auf den Beinen halten. Als sich Dalìs Zustand auch nach drei Stunden noch nicht wesentlich verbessert hatte, griff Adi zur Homöopathie und verabreichte ihm eine Gabe Arnika. Das wirkte Wunder und am nächsten Morgen war unser Vierbeiner wieder der Alte.

Dass unsere Gastgeber im Ausland weilen heisst nicht etwa, dass das rege Kommen und Gehen hier draussen nachlassen würde. Vielleicht ist sogar das Gegenteil der Fall, denn nächste Woche wird hier mit gröberem Geschütz aufgefahren. Mit schweren Maschinen soll nämlich der Damm „unseres“ Sees, der ja im Frühling 06 gebrochen ist, wieder repariert werden. Das hat zwei sehr positive Seiten. Einerseits kommen wir so noch in den Genuss eines kleinen Sees vor unserer Blockhütte und andererseits können wir eventuell die Firstpfette mit Hilfe eines dieser Ungetüme platzieren. Dieser Stamm ist der Höchste, aber auch der Grösste und Schwerste, den wir verbauen. Da unsere Skyline nicht genau mittig über der Hütte verläuft, schätzen wir es als unrealistisch ein, diesen Stamm zu zweit (oder auch zu dritt) und ohne maschinelle Hilfe einzupassen. (Auf dem Bild nebenan "kämpft" Adi mit der Fusspfette.)


Und damit sind wir bei dem Punkt, den ich schon im Titel angesprochen habe. Unsere Blockhütte entwickelt sich immer mehr zum Blockhaus. Zwar sind die Grundmasse mit 5.40 m auf 6.40 m Innenraum in etwa so, wie Adi das schon letztes Jahr geplant, aufgezeichnet und Johanne gemailt hat. Doch von Höhe, Bauweise und Aufwand her, hat sich das Ganze in eine Richtung verschoben, die Adi und ich so gar nicht geplant hatten. Grundgedanke war, eine einfache Jagdhütte (etwa so, wie auf dem Foto, nur etwas grösser) ohne irgendwelchen Komfort zu bauen. In den vergangenen Wochen ist jedoch immer klarer geworden, dass Johanne und Sylvain daraus ein kleines Gästehaus mit Toilette, Küche und evtl. sogar Dusche machen möchten. Das bedeutet unter anderem, dass die Wände mit Glaswolle isoliert werden, dass ein Parkett auf den doppelten Boden gelegt und neue Fenster im Wert von je rund 800 Can. Dollars eingebaut werden sollen; die Hütte oder eben das Blockhaus wird höher als ursprünglich geplant und bekommt einen topmodernen Dachaufbau mit Täfer für die Innenansicht, Dampfsperre, Isolation und was sonst noch alles dazu gehört. Dazu kommt der nicht gerade billige Innen- und Aussenanstrich, um das Holz vor Nässe, Pilz und Käfern zu schützen. Schön, dass Sylvain ganz selbstverständlich sämtliche Kosten für ihre Zusatzwünsche übernimmt. Adi und ich sind oft etwas hin- und hergerissen. Einerseits finden wir es toll, dass unser Bauwerk nachher auch wirklich noch gebraucht bzw. bewohnt werden soll. Andererseits mutet es uns schon etwas komisch an, uns in dem schlichten und nicht allzu grossen Wohnraum noch Dusche, WC, Sofa u.ä. vorzustellen. Wie dem auch sei, wir haben nach wie vor Spass an unserem Projekt und sind gespannt, was am Schluss daraus wird!