Friday, June 23, 2006

Was bisher geschah ...

Lange ist`s her, seit wir uns das letzte Mal gemeldet haben (was mit dem schönen Wetter und den dementsprechend guten Arbeitsbedingungen zusammen hängt). In der Zwischenzeit ist einiges geschehen:
Die 10 Tage zwischen Thomas` Rückkehr und Armins (der andere Holzknecht aus Deutschland) Ankunft nutzen wir, um das Fundament zu machen. Wir kaufen vier 30kg-Säcke Zement und sind froh, dass wir diese nur noch 30 Minuten und nicht mehr 3,5 Stunden schleppen müssen. Schnee hat es zwar keinen mehr, doch durch das nasse Wetter ist der Weg zum Bauplatz noch immer nicht befahrbar. Mit dem Zementsack auf dem Buckel keuchen wir schwitzend und um Atem ringend den Hügel hoch. (Und es wird uns einmal mehr bewusst, welch gewaltige Leistung Sherpas - darunter auch Frauen - mit rund 40 Kilo am Rücken und Sandalen an den Füssen in einigen 1000m Höhe vollbringen.)

Die ungefähre Lage unserer Blockhütte haben wir bereits festgelegt. Nun messen wir sie noch genau aus und achten darauf, dass wir unsere neun Sockel wenn möglich auf Fels bauen können. Wir kommen uns vor wie die Maulwürfe und unser Bauplatz verwandelt sich schnell in einen Acker. Doch schlussendlich haben wir unsere 9 Felsstücke freigelegt. Anschliessend nivellieren wir das Ganze mit einer Schnurwasserwaage und hoffen, dass sich während der Nacht kein Elch im Schnurrgewirr verfängt.
Um den Mörtel zu mischen, benötigen wir nebst dem Zement noch Sand und Kies. Sand finden wir im Bachbett genügend, doch Kies ist schwierig zu finden. Dazu kommt, dass wir uns nicht einig sind, was genau Kies ist, bzw. welche Grösse er hat. Schlussendlich erinnert sich Adi, am anderen Seeufer einen Kieshaufen gesehen zu haben. Ich telefoniere schnell Sylvain und der sagt ebenso schnell, dass wir davon nehmen könnten, soviel wir bräuchten. Super! Zwar bekomme ich vom eimerweise Kies über den See tragen lange Arme und Adi vom Mörtelmischen einen krummen Rücken, dafür lassen sich unsere 9 Säulen wirklich sehen. Auch wenn man den Sockeln ansieht, in welcher Reihenfolge sie entstanden sind, so sind wir doch mächtig stolz auf unser Werk. So setzen wir uns nach vollendetem Tageswerk müde aber zufrieden auf einen grossen Stein am Flussufer, genehmigen uns ein Feierabendbier und geniessen die Stille und den Blick über die ausgetrocknete Seeebene. So haben wir uns Kanada und unsere Arbeit vorgestellt!

Mütter und andere besorgte Leser: nächsten Abschnitt überspringen!

Plötzlich ruft Adi ungläubig: "Da, ein Bär!" Ich überschlage kurz, wie viel Bier er getrunken hat (daran kann's definitiv nicht liegen) und entscheide mich, um ihm eine Freude zu machen, für's Lachen. Adi ist inzwischen aufgesprungen und starrt wie gebannt auf die Ebene. Ich kann gerade noch denken, dass er nun doch etwas übertreibt, da sehe ich ihn auch. Etwa 150 Meter von uns entfernt, trottet ein Schwarzbär gemächlich über die Wiese. Zwei-, dreimal hebt er die Schnauze und schnuppert in der Luft. Doch wir stehen im Gegenwind, er kann uns also nicht riechen. Wir kommen uns vor wie im Kino und schauen dem Bären fasziniert zu, bis er im Wald verschwunden ist. Erst da wird mir bewusst, dass ich kaum 5 Minuten vorher genau an der Stelle, an der der Bär den Bach überquert hat, die nach dem Sandschöpfen liegen gelassene Schaufel geholt habe. Meine Knie werden etwas weich (was aber auch auf das Bier zurueckgeführt werden kann) und ich bin froh, dass das Timing nicht "besser" war.
Nach einer langen Regenperiode geniessen wir das schöne Wetter doppelt und stellen erfreut fest, dass diejenigen Stämme, die schon entrindet sind und an einem Sonnerplätzchen am Wegrand liegen, einen schönen Goldton bekommen. Weniger erfreut sind wir, als wir bemerken, dass einige der Stämme, welche am Schatten liegen (und das ist leider die Mehrheit) schon erste Graustellen aufweisen. So nutzen wir den noch verbleibenden Tag bis Armin ankommt damit, die schwachen (dünnen) und mittleren Stämme mit unserem guten alten Jeep an die Sonne zu ziehen. Dazu legen wir ein Stammende in den Kofferraum, befestigen es mit einer Kette an der Anhängerkupplung und fahren so im Schneckentempo zum Polter. Ich weiss nicht, ob unsere Rücken oder das Auto mehr gelitten haben, streng war es für alle drei!
Am Dienstag, dem 30. Mai, holen wir Armin am Flughafen ab. Er hat schon im Voraus angekündigt, dass er unbedingt die Niagarafalls sehen möchte. Und da auch Adi und ich ein paar Tage zum Ausspannen gebrauchen können, fahren wir schon am selben Tag Richtung Süden los. Sechs Tage und über 2000 Kilometer später sind wir wieder im Chalet; um viele Eindrücke und einige Erfahrungen reicher. Eine davon war ein klassischer Anfängerfehler, den wir genau 3mal machten: zum ersten Mal, zum letzten Mal und einmal zu viel. Wir liessen nämlich am ersten Abend auf dem Campingplatz sämtliche Autotüren offen, während wir die Zelte aufstellten. Ergebnis: Eine zehnminütige Klatschorgie als wir kurz darauf zum Nachtessen fahren wollten. Das war übrigens der Beginn einer grossen Leidenszeit. Wir hörten zwar von der ca. eineinhalbmonatigen Mücken- und Blackfliesplage, aber so schlimm haben wir uns das nicht mal in unseren schlimmsten Albträumen vorgestellt. Ohne Netz über dem Kopf zu arbeiten grenzt an Grössenwahn, der spätestens zwei Tage später in Masochismus umschlägt. Adi geht es besonders dreckig. Er ist der Liebling sämtlicher Insektenpopulationen und selbst wenn kein Millimeter Haut mehr sichtbar ist, finden die Biester einen Weg ins Innere. Der Ärmste steht jeweils kurz vor dem Amoklauf und kratzt sich nächtelang die Stiche und Bisse blutig. Inzwischen sieht er aus wie ein Aussätziger und wagt sich kaum mehr in Shorts und T-Shirt ins Dorf.
Aller Übel zum Trotz beginnen wir mit der ersten Runde unserer Blockhütte. Langsam aber sicher werden die Wände höher, was man spätestens beim "Ein- und Aussteigen" bemerkt. Doch um eure (und unsere) Nerven nicht zu arg zu strapazieren, werden wir im nächsten Bericht etwas genauer auf unsere Bauarbeiten eingehen.