Tuesday, May 23, 2006

Von Pleiten, Pech und Pannen - und bayrischer Hilfe

Die 5 Tage im Chalet von Joanne und Sylvain (29.4. - 3.5.) verbringen Sherpa Adi und ich (auch Sherpa!) mit Materialtransport (keuch, schwitz!) und Regeneration, auch dolce far niente genannt. Schon Reinhold wusste, wie wichtig das Akklimatisieren ist; immerhin liegt unser Bauplatz auf 450 m.ü.M. und Lager 1 (= Chalet) nochmals 50 m höher ... . Bei unserer Ankunft stellt sich heraus, dass wir gar nicht viel tun (sprich "arbeiten") können, da unser Bauplatz noch immer unter einer dicken Schneedecke (ca. 1 m) liegt. Am Tag bevor wir nach Québec zurück fahren, entschliessen wir uns dann, die Akklimatisierung etwas zu forcieren und der Natur ein bisschen nachzuhelfen. In strömendem Regen schaufeln wir unseren Bauplatz (ca. 30 m2) frei. (Was sich später übrigens als überflüssig herausstellen sollte, da bei unserem nächsten Aufenthalt 5 Tage später die ganze Lichtung grün ist.) Uns gefällt die Zeit im Chalet ausgezeichnet, nicht aber unseren technischen Geräten. Eines Tages spielt unser Laptop Indianer und sendet Rauchzeichen. Und bald darauf gibt auch das Solarpanel den Geist auf. Schade, denn so können wir unsere Berichte vorläufig nicht mehr mit Bildern auflockern. Doch solange sich die Pannen und Schäden auf materielle Dinge beschränken, können wir gut damit leben!
Am Mittwoch, 3.5., gehts zurück in die Zivilisation (sprich Québec), da unsere provisorische Autonummer abläuft. Kaum in der Stadt, fallen uns die freundlich grüssenden Autofahrer auf. Am ersten Rotlicht kurbelt einer sogar das Fenster runter - und macht uns auf unseren Plattfuss aufmerksam ... . Das Positive an der ganzen Sache ist, dass wir nun vier neue Winterreifen haben. Und um die sollen wir schon vier Tage später richtig froh sein.
Am Freitagabend, 5.5., kommt Thomas (unser Blockhauskurskollege, der ehemalige Schreiner, jetztige Rettungssanitäter und Gelegenheitsholzfäller aus Bayern) an; nicht jedoch sein grosser Seesack. Den hat die Lufthansa in München gelassen. Der zuständige Flughafenangestellte ist zuerst etwas verwirrt, weil wir ihm keine feste Adresse zum Nachsenden des verlorenen Gepäckstücks angeben können. Schlussendlich sagt er, dass der Sack mit dem Bus nach Baie-Saint-Paul geschickt werde, wo wir ihn dann im Busbüro abholen könnten. Man werde uns benachrichtigen, sobald er eingetroffen sei, was spätestens am Montag der Fall sei.
In den nächsten 14 Tagen wollen wir mit Thomas` Hilfe rund 60 - 70 Bäume fällen. Wir ahnen, dass das körperlich Schwerarbeit sein wird und wollen gewappnet sein. So schnappen wir uns einen grossen Einkaufswagen, kurven etwa eine halbe Stunde durch den nicht gerade kleinen Lebensmittelladen und begegnen immer öfter ungläubig aufgerissenen Augenpaaren (deren Besitzer wohl denken, sie hätten die Nachricht einer herannahenden Hungersnot verpasst). Mit einiger Kraftanstrengung lässt sich schlussendlich sogar der Kofferraumdeckel schliessen (Lufthansa sei Dank, dass sie den Seesack vergessen haben!). Die paar Meter, die wir auf der Schotterpiste Richtung Chalet noch fahren können bevor uns der Schnee (trotz neuer Winterreifen) zum Aussteigen zwingt, ächzt die Hinterachse unseres Jeeps bedrohlich. Kurz darauf sind wir es, die unter dem Gewicht unserer Rucksäcke stöhnen. Der verd... Schlitten muss über viele apere Wegstellen getragen werden und die Strecke erscheint uns so lang wie noch nie. Als es während des 3-stündigen Marsches dann auch noch zu regnen beginnt, bereuen wir es schwer, kurz zuvor dem Kaufrausch verfallen zu sein.
Sonntag ist Arbeitstag und die ersten Bäume fallen. Weil Thomas sämtliche Kleider, Zahnbürste u.ä. im Seesack verstaut hat, laufen wir am Montagnachmittag nochmals die 9 km nach Baie-Saint-Paul. Kurz vor dem Abmarsch bemerken wir, dass uns am Morgen jemand versucht hat zu erreichen. Das Gepäck ist also eingetroffen. Um sicher zu gehen, versuche ich, zurück zu rufen, doch am anderen Ende ist scheinbar gerade Mittagspause. Wir machen uns also schon mal auf den Weg. Um halb zwei erreiche ich schlussendlich jemanden und erkläre der freundlichen Dame wer wir sind und frage nach dem Seesack. Leider spricht mein Gegenüber sehr schnell (und zudem ist ihr Französisch nicht das beste ;-)), so dass es etwas dauert bis ich bemerke, dass ich mit dem Friedhof verbunden bin. Tja, Sachen gibts, die kann man nicht erklären ... . Thomas hat sein Gepäck übrigens 11 Tage nach seiner Ankunft in Kanada doch noch erhalten - eine Zahnbürste hatte er sich unterdessen angeschafft, sein einziges Paar Socken und die Unterhose hatten jedoch zweifelsohne schon bessere Zeiten erlebt (was jedoch bei Weitem nicht die einzige geruchliche Belastung in den 14 Tagen sein sollte... ).
Die Arbeit im Wald geht schon etwas an die Substanz. Die Männer übernehmen das Fällen und Entasten der Rot- und Weisstannen, ich entrinde sie und helfe wenn nötig bei der Rückearbeit (dem Herausziehen der Stämme auf den Weg). Von dort können wir sie dann in 1 - 2 Wochen mit einem Traktor zum Bauplatz schleppen. Erst in 1 - 2 Wochen deshalb, weil der Weg im Moment noch mehr Sumpf als Strasse ist. (Anmerkung an Ralph: Die goldgelbe Stammfarbe lässt sich nicht nur durch die Sonne erreichen. Schlamm ruft das selbe Resultat hervor. Einzige Bedingung: er muss erfahrungsgemäss mindestens knöcheltief sein ;-)). Irgendwie haben wir im Reiseführer das Kapitel "Monsun" überlesen. Die letzten 5 Tage von Thomas` Aufenthalt regnet es nur einmal - nämlich ununterbrochen. Die 100 m zum Donnerpfahl werden nur im äussersten Notfall unter die Stiefel genommen und wir überlegen uns, ob wir statt der Blockhütte nicht lieber eine Arche Noah bauen wollen. Irgendwie ist es kaum zu glauben, dass wir einige Tage vorher noch bei fast 25 Grad schwitzten und die Männer sogar den Sprung in den See wagten, auf welchem noch die Eisschollen trieben. Ich begnügte mich mit einer warmen Dusche aus unserem schwarzen Wassersack.
Einen dieser trockenen Abende nutzen wir, um mit dem Kanu auf Biberwatching-Tour zu gehen. Erfolgreich! Es ist wirklich super, wie nah diese Tiere an einen heran kommen! Auch ein Stachelschwein lässt sich blicken und sogar einen Bären bekommen wir zu sehen. Leider (oder eher Gott sei Dank?) hat er sich die Autos von etwas gar nah angeschaut und sieht ziemlich tot aus. Nur der Elch lässt sich (noch) nicht blicken. Auch das mucksmäuschenstille zweistündige Ausharren in der Abenddämmerung bringt nichts. Vielleicht ist da Thomas` Rettungsdienstsalat schuld daran. Denn die Mischung aus Lionerwurst, roten Bohnen und anderen Köstlichkeiten lässt in regelmässigen Abständen die Wände unseres Beobachtungspostens erzittern. Zudem nehme ich an, dass uns sämtliches Getier auf einige 100 m Gegenwind riechen kann. (Soviel zu den Geruchsemissionen, die täglich zu gegenseitigen Beschuldigungen führten und eigentlich ziemlich oft auf die männliche Verdauung zurück zu führen waren ...).
Nichts desto trotz liegen am Ende der zwei Wochen gut 65 Bäume gefällt und zur Hälfte entrindet am Wegrand, der Bauplatz ist gerodet und entwässert und die Löcher für die 9 Fundamentsäulen sind gegraben. Thomas, ganz herzlichen Dank für deine Hilfe! Und schon in einer Woche kommt mit Zimmermann Armin der nächste freiwillige Holzknecht, den die Abenteuerlust gepackt hat. Wir freuen uns schon jetzt auf die gemeinsamen drei Wochen!

Friday, May 05, 2006

Die erste Woche in Kanada

So, da wären wir nun also! Es ist Samstag, der 29. April und übermorgen würde die Schule wieder beginnen :-). Das ist zwar keine unangenehme doch etwas spezielle Vorstellung. Aber nun mal schön der Reihe nach:
Wir kamen kurz vor Mitternacht (6 Uhr Schweizerzeit) in Québec an, fuhren mit dem Taxi ins Hotel und schliefen erst mal aus. Am nächsten Morgen richteten wir bei Johanne und Sylvain unser „Basislager“ ein und fuhren dann gleich mit dem Bus los Richtung Innenstadt. Hauptziel: Autokauf! Da es jedoch während unseres ausgiebigen Frühstücks in Strömen zu regnen begann, machten wir eine spontane Programmänderung und steuerten in das nahe Sportgeschäft, das wir vom Herbst her kannten. Wir verliessen den Laden gut zwei Stunden später und rund 1500 SFr. ärmer (auch Männer können übrigens dem Kaufrausch verfallen!), „dafür“ hatte es zu Regnen aufgehört. Als nächstes war das Auto an der Reihe. Da die Distanzen in Kanada bekanntlich nicht mit Schweizerverhältnissen zu vergleichen sind, sassen wir in den Bus. Kaum zehn Minuten später entdeckten wir „unser“ Auto am Strassenrand. Es war ein roter Jeep Cherokee, Jahrgang 94 und läppische 235'000 km auf dem Buckel. Der alte Bursche ist für sein Alter echt gut im Schuss und sein Motor schnurrt wie ein Kätzchen. Eine Stunde Probefahren später waren wir stolze Besitzer eines 4x4. Das ging ja schneller als erhofft. Nun hatten wir Zeit, uns um den Rest zu kümmern. Das heisst, wir klapperten sämtliche Baumärkte und Motorsägenshops ab, kauften mal hier mal dort ne „Kleinigkeit“ und lernten so vor allem die Vororte Québecs kennen. Nach vier Tagen ununterbrochener Shoppingtour war die Zeit definitiv reif, unser Material endlich einem Belastungstest zu unterziehen. Heute Morgen nahmen wir voller Tatendrang und bei strahlendem Sonnenschein den Weg Richtung Baie-Saint-Paul unter die Räder. Vor drei Wochen traf Johannes Schwager hier noch gut 1,5 m Schnee an. Deshalb waren wir mit Schneeschuhen und Schlitten ausgerüstet (und sollten es nicht bereuen!) Zu Beginn mussten wir den Schlitten noch über die eine oder andere ausgeaperte Stelle ziehen, schon bald jedoch trafen wir auf eine geschlossene Schneedecke. Wir hatten die 10 km bis zum Chalet von Johanne und Sylvain als weit weniger steil in Erinnerung, aber das letzte Mal waren wir ja auch mit dem Auto unterwegs. Gegen Ende unseres rund dreieinhalbstündigen Marschs hatten wir das Gefühl, als hätten wir Ahornsirup unter unseren Schlitten. Die Schneehöhe war stellenweise auf 1 m angewachsen und die Konsistenz wurde mit fortgeschrittener Tageszeit immer sumpfartiger. Doch mit Hilfe einiger Kraftausdrücke meisterten wir auch diese Aufgabe erfolgreich. Nach einem kurzen Abstecher zu unserem Bauplatz erreichten wir müde und durstig das Chalet. An der Hausmauer war es gut und gern 25 Grad warm und so sassen wir als erstes auf die Vortreppe und genossen die Stille. Die währte jedoch kaum 10 Minuten, denn plötzlich kam ein Helikopter über den (gefrorenen) See geflogen und schwebte fast eine Minute lang vor unserer Nase. Flott, wie man in der kanadischen Wildnis als Neuankömmling begrüsst wird … . Die Eisschicht auf dem See ist am Ufer noch gut 30 cm dick. Bevor man also an Wasser gelangt, muss man mit einem Eisbohrer ein Loch in den See bohren.
Ich muss schon sagen, ich bin um die „Softvariante“ (Adis Ausdruck) unseres Projekts froh. Dank der Gastfreundschaft von Johanne und Sylvain dürfen wir ein warmes Cabine an einmaliger Lage mit einem weichen Bett und Kerzenlichtromantik geniessen. Es ist einmalig schön, durch die grossen Fenster den Mond, die Sterne und zwischendurch auch mal eine Sternschnuppe zu sehen. Beruhigend zu wissen, dass wir bei der Erfüllung unserer Wünsche (denn davon haben wir noch viele) auch von oben unterstützt werden!